USA.
Gesichert und intensiv beforscht ist die Erkenntnis, daß rund 30
Prozent aller Parkinson-Patienten zusätzlich unter Demenz und
Depression leiden. Noch zu wenig bekannt ist, daß ein mindestens
vergleichbar hoher Prozentsatz mit Angststörungen kämpft. Angststörungen
verdienen nicht nur deshalb größere Beachtung, weil sie oft gut zu
behandeln sind. Eine Untersuchung ihres gemeinsamen Auftretens mit der
Parkinson-Krankheit wirft möglicherweise auch neues Licht auf die
neurophysiologischen Prozesse beim Parkinson-Syndrom.
Bis zu 40 Prozent aller
Parkinson-Patienten sind von Angststörungen betroffen, insbesondere
von generalisierter Angst, Panik und sozialer Phobie. Nicht nur ein
„Duo“ (Demenz und Depression), sondern ein „Trio“
psychiatrischer Leiden scheint also die Parkinson-Krankheit
typischerweise zu begleiten. Das derzeitige Wissen über Angststörungen
bei Parkinson-Kranken fassen I. H. Richard und Mitarbeiter in einer Übersicht
zusammen. Sie kommen zu folgenden Ergebnissen:
1. Angststörungen
tragen möglicherweise erheblich zur Morbidität Parkinson-Kranker
bei. Zwar sind genaue Zahlen noch nicht gesichert, aber Schätzungen
zufolge scheinen bis zu 40 Prozent aller Parkinson-Patienten unter
klinisch bedeutsamer Angst zu leiden. Diese Häufigkeit liegt deutlich
über der für diesen Altersabschnitt üblichen Prävalenz. Da Angststörungen
typischerweise in jüngeren Jahren erstmalig auftreten, weist ihre
Erstmanifestation im Rahmen einer Parkinson-Krankheit auf
Besonderheiten hin. Manche Symptome - wie das Zittern der
Parkinson-Patienten - erschweren zudem die Angst-Diagnostik.
2. Obwohl fast alle
Formen von Angststörungen bei Parkinson-Kranken beobachtet wurden,
treten Panikstörungen, generalisierte Angst und soziale Phobien am häufigsten
auf. Besonders auffällig ist der für das Alter relativ hohe Anteil
von Panikstörungen, wobei im Gegensatz zur „klassischen“ Panikstörung
Männer öfter betroffen sind.
3. Angststörungen
manifestieren sich meist im Anschluß an eine Parkinson-Krankheit,
aber auch die umgekehrte Reihenfolge ist möglich. Vor diesem
Hintergrund ist es eher unwahrscheinlich, daß Angst vorrangig eine
Reaktion auf die Probleme der Grundkrankheit ist. Manches spricht dafür,
daß Angst mit den typischen neurobiologischen Vorgängen der
Parkinson-Krankheit in Zusammenhang steht. Inwieweit
Antiparkinson-Medikamente zur Angstentstehung beitragen können, ist
vor allem für L-Dopa letztlich noch ungeklärt. Soweit
Dopaminagonisten untersucht wurden, ließ sich kein Anhaltspunkt für
eine Angst verstärkende Wirkung finden.
4. Offenbar besteht
eine deutliche Beziehung zwischen Motorik und Angst. Vor allem während
der „off“-Phasen im Rahmen eines fluktuierenden Verlaufs verstärkt
sich die Angst. Weiterhin ist ungeklärt, inwieweit die Kranken
emotional mit Angst auf ihre motorischen Beeinträchtigungen
reagieren, inwieweit Angst die motorischen Funktionen verschlechtert
und ob Angst und motorische Dysfunktionen gemeinsame Folge zentraler
neurochemischer Vorgänge sind.
5. Angst und
Depression treten oft gemeinsam bei einer Parkinson-Krankheit auf.
Auch hier fragt sich, ob Angst lediglich ein Ausdruck der depressiven
Störung ist oder ein eigenständiges psychiatrisches Leiden
darstellt. Für letzteres spricht, daß Depression und Panikstörungen
bei Parkinson-Kranken relativ oft zusammen auftreten. In höherem
Alter ist dies sonst eher nicht der Fall.
6. Auch über die
Zusammenhänge zwischen Angst und Demenz beim Parkinson-Syndrom ist
wenig bekannt. Bei diesem Krankheitsbild scheinen kognitive Störungen
und Angst jedoch weniger miteinander verknüpft zu sein.
7. Die meisten
einschlägigen Befunde sprechen dafür, daß vor allem Störungen im
zentralen noradrenergen System bei Parkinson-Kranken Angst auslösen.
Besonders Vorgänge in der rechten Hirnhemisphäre scheinen dabei eine
Rolle zu spielen (speziell für Panik und Zwangsstörungen).
8. Die optimale
Pharmakotherapie von Angststörungen bei Parkinson-Patienten steht
noch nicht fest. Anxiolytika sind daraufhin zu überprüfen, inwieweit
sie sich auf die Grundkrankheit auswirken.
I.
H. Richard u.a.: Anxiety and Parkinson´s disease. The Journal of
Neuropsychiatry and Clinical Neurosciences 1996 (8) 383-392