von
Reinhild Vaitiekunas, Leiterin der physiologischen
Abteilung/Neurologie des Bezirkskrankenhauses Gabersee in Wasserburg,
Chefarzt Dr. med. Eckhard Bock
Durchführung
und Planung der Krankengymnastik Parkinson-Kranker orientieren sich an
der Frage, welche Symptome den Patienten besonders beeinträchtigen.
Der Kranke sollte selbst entscheiden, ob er lieber einzeln oder in der
Gruppe übt. Dabei eröffnet die Gruppenbehandlung besondere Vorteile,
weil jeder Teilnehmer aus eigenem Erleben die krankheitsbezogenen
Probleme kennt und sich so in der neuen Gemeinschaft schneller
verstanden und akzeptiert fühlt. Gemeinsames Üben und gegenseitiger
Austausch können dem eher passiven Verhalten der Parkinsonbetroffenen
entgegenwirken, die Selbstbezogenheit mindern und zum Anschluß an die
Deutsche Parkinson Vereinigung (dPV) motivieren. In der Gruppe bietet
es sich an, durch Musik und sinnvolle Übungsgeräte Freude an der
Bewegung zu vermitteln sowie das Rhythmusgefühl und die
Koordinationsfähigkeit zu schulen. Es ist wichtig, möglichst solche
Geräte zu wählen, die man auch zu Hause vorfindet oder die sich
leicht herstellen lassen (wie Reis- oder Sandsäckchen, Tücher,
Luftballons, Kastanien, Holzschwellen usw.).
Um
beim Patienten Verständnis und Motivation zu fördern, sollte er bei
möglichst allen krankengymnastischen Übungen erkennen können, warum
sie für seine Alltagsbewältigung wichtig sind (Umlagern im Bett,
Aufstehen vom Stuhl). Parkinson-Kranke neigen dazu, an einmal
gegebenen Hilfen zu haften. Es ist daher sinnvoll, angepaßte
Hilfestellungen zu geben, die eventuell wieder leicht rückgängig zu
machen sind, um die Selbständigkeit des Patienten zu erhalten. So
kann es günstiger sein (vorausgesetzt dies reicht als Unterstützung),
einfache Gymnastikstäbe und nicht Unterarm-Gehstützen als Gehhilfen
zur Verfügung zu stellen. Da Gymnastikstäbe nicht
"gesellschaftsfähig" sind, ist der Patient dann eher
bereit, sich wieder von ihnen zu trennen.
Leider
läßt sich der Tremor von Parkinson-Patienten krankengymnastisch kaum
beeinflussen. Bei ausgeprägtem Tremor empfiehlt es sich, beim
Schreiben und Üben eine große Unterstützungsfläche zu bieten (z.B.
Unterarm auf der Unterlage lassen) und bei den Übungen ein Gerät
fassen zu lassen, damit die Hände durch den Zugriff ruhiger werden.
Zittert der Kopf stark und störend, kann man diesen selbst mit den Händen
stützen und so den Tremor oft günstig beeinflussen. Hemmend wirkt
auch, die Hände hinter dem Kopf verschränkt zu falten.
Der
Parkinson-Kranke muß mit Hilfe eines verbesserten Körpergefühls
lernen, seinen Körperschwerpunkt richtig zu verlagern, das heißt, in
jeder Körperhaltung schnell und automatisch der Schwerkraft entgegen
zu wirken. Beim Auftreten von Freezinggefühlen ist es daher für ihn
keine Hilfe, wenn man ihn an den Armen von einem Stuhl hochzieht oder
ihn während des Gehens zerrt (man fördert so allenfalls die
Fallneigung). Um dieser Gefahr zu begegnen, ist es wichtig, im Rahmen
der Behandlung Stellreaktionen zu üben. Dazu gehören Anleitungen
beim
·
Drehen im Bett,
·
Aufrichten aus der Rückenlage in den Sitz,
·
Aufstehen vom Stuhl aus verschiedenen Höhen und
·
Aufstehen vom Boden (besonders wichtig bei Patienten mit
Fallneigung).
Als
Übungsstühle sollte man nicht nur optimale Modelle auswählen,
sondern auch solche, die den (ja meist ungünstigeren)
Alltagsbedingungen entsprechen. Um die beschriebenen Bewegungsmuster
anzubahnen, sind vor allem Rotationsbewegungen zu trainieren. So hält
der Patient seine Armen beispielsweise nicht deswegen steif, weil
seine Schultern zu wenig beweglich sind, sondern weil er sich im Rumpf
nicht oder nur wenig drehen kann.
Einer
weniger stark ausgeprägten Fallneigung läßt sich manchmal mit
einfachen Mitteln vorbeugen. So empfiehlt es sich bei
Retropulsionsneigung, etwas höhere Absätze zu tragen. Dagegen sind
bei Propulsionsneigung flache Schuhe vorzuziehen. Beim Sitzen kann
einer Retropulsion durch ein Keilkissen, einer Lateropulsion durch
Unterlagern der betroffenen Seite oder durch Übereinanderschlagen der
Beine entgegengewirkt werden (Bein der Fallseite nach oben).
Für
Patienten, die "Starthemmungen" haben (also eine geplante
Bewegung nicht ausführen können), gibt es mittlerweile eine Vielzahl
von Tips, die ihnen die Anfangsbewegung erleichtern. Beispiele sind
Markierungen auf dem Boden, Muster im Teppich oder akustische Hilfen
wie Zählen oder Musik. Für einige Patienten ist ein Walkman
sinnvoll, der durch geeignete musikalische Rhythmen das Gehen ermöglicht.
Es kann jedoch gefährlich sein, das Gerät auch im Straßenverkehr zu
benutzen!
Um
zu lernen, wie man Alltagsprobleme bewältigt, bietet sich ein Übungsparcours
an. Zum Üben der Feinmotorik haben sich an der Wand aufzuhängende
Funktionsbretter bewährt, die mit entsprechenden Alltagsgegenständen
bestückt werden (z.B. Reißverschluß, Knopfloch, Schuhbänder oder
Klettband) und leicht herzustellen sind.
Zur
krankengymnastischen Betreuung gehört nicht zuletzt auch das Anregen
und Fördern von Atembewegungen (Pneumonieprophylaxe) sowie allgemeine
Hilfen zur Alltagsbewältigung (Anzieh-, Eß-, Schreib-, Lese- und
Gehhilfen, Anpassung der Wohnung, Patientenbroschüren, Ton- oder
Videokassetten mit Übungsprogrammen).
Der
Erfolg der krankengymnastischen Behandlung hängt wesentlich von der Fähigkeit
des Therapeuten ab, Antriebshemmung und Ängste seiner Patienten zu überwinden.
Unter diesem „Fremdantrieb“ erwacht der Patient oft zu
erstaunlicher Beweglichkeit.