Deutschland. Unter
Parkinson-Patienten findet man verhältnismäßig weniger Raucher als
bei Personen gleichen Alters und Geschlechts, die nicht unter dieser
Erkrankung leiden. Die Zahl ehemaliger Nikotinkonsumenten ist bei den
Parkinson-Betroffenen jedoch deutlich größer. Es könnte also sein,
daß Rauchen der Manifestation des Leidens entgegenwirkt. Erklären
ließe sich ein solches Phänomen mit folgenden Überlegungen: 1.
Vielleicht gibt es eine erbliche Veranlagung, die einerseits die
Entstehung eines Morbus Parkinson fördert, gleichzeitig aber auch die
Lust am Rauchen nimmt. 2. Möglicherweise verhindern von Geburt an
niedrige Dopaminspiegel, daß künftige Parkinson-Patienten süchtig
werden. 3. Rauchen könnte Nervenzellen schützen.
Zu diesen Ergebnissen
und Überlegungen gelangt eine fallkontrollierte Studie, an der sich
neun deutsche neurologische Kliniken beteiligten. Sie untersuchte den
Einfluß der Umwelt auf die Entstehung der Parkinsonschen Erkrankung
und erfragte dabei auch frühere und aktuelle Rauchgewohnheiten. In
die Analyse flossen die Daten von 380 Parkinson-Patienten, 379
Kontrollpersonen aus der unmittelbaren Nachbarschaft der Kranken bzw.
weiteren 376 Kontrollpersonen aus der jeweiligen Gegend ein. Der
Rauchkonsum wurde in „Packungs-Jahren“ gemessen.
Während von den
Parkinson-Kranken 44 Prozent irgend wann in ihrem Leben einmal
geraucht hatten (56 Prozent der Männer, 21 Prozent der Frauen), waren
es in den Kontrollgruppen jeweils 59 Prozent (71 Prozent der Männer,
33 Prozent der Frauen). Von den rauchenden Patienten hatten immerhin
74,4 Prozent diese Gewohnheit vor dem Zeitpunkt der Parkinson-Diagnose
aufgegeben, während von den Nachbarschaftskontrollen nur 44,8 Prozent
und von den Kontrollen aus der weiteren Gegend nur 46,6 Prozent bis zu
einem vergleichbaren Zeitpunkt damit aufgehört hatten. Alle Gruppen
begannen ungefähr im gleichen Alter (rund 20 Jahre) mit dem Rauchen.
Die Mitglieder der Kontrollgruppen rauchten dann jedoch mehr und
entschieden sich später dazu, wieder Nichtraucher zu werden.
Die Ergebnisse der Studie
lassen aufhorchen, weil sie ähnliche Beobachtungen aus anderen
Untersuchungen zu bestätigen scheinen (wobei es durchaus auch
gegenteilige Feststellungen gibt). Zwar kann die Studie einen sicheren
Schutzeffekt nicht nachweisen (da immerhin 44 Prozent der
Parkinson-Patienten trotz Rauchen erkrankten) und läßt sie auch in
zeitlicher Hinsicht keinen klaren Zusammenhang erkennen. Dennoch ist
die inverse Beziehung zwischen Rauchen und Parkinson-Risiko nicht zu
übersehen. .
Anmerkung der
Redaktion: Sofern man überhaupt von „schützen“ sprechen
kann, würde nur ein Bruchteil aller Parkinson-gefährdeter Menschen
aus einem solchen Effekt Nutzen ziehen können. Gleichzeitig ändert
sich aber nichts an den hinlänglich bekannten Risiken des Rauchens
(Krebs, Herzkreislauferkrankungen). Die Studie eignet sich deshalb
weder als Werbeträger für die Zigarettenindustrie noch als Mittel
zur Beruhigung innerer warnender Stimmen.
W.
Hellenbrand et al.: Smoking and Parkinson´s disease: A case control
study in Germany. International Journal of Epidemiology 1997 (26)
328-339
Warnung
vor voreiligen Schlußfolgerungen!
Bewahrt
Parkinson vor Sucht?
In einer Übersichtsarbeit
zur „Epidemiologie der idiopathischen Parkinson-Erkrankung“ setzt
sich auch P. Vieregge mit den möglichen Zusammenhängen zwischen
Rauchen und Morbus Parkinson auseinander. Anhand von Ergebnissen aus
der Suchtforschung veranschaulicht der Lübecker Neurologe, daß man
mit guten Gründen sogar die gegenteilige Ansicht vertreten kann: Möglicherweise
schützt nicht Rauchen vor dem neurologischen Leiden, sondern Morbus
Parkinson vor süchtigem Verhalten! Denn Dopamin scheint der
entscheidende Neurotransmitter für den Aufbau und Erhalt des
intrazerebralen Belohnungssystems zu sein. Suchtmittel sind also auf
Dopamin angewiesen, um ihre seelische Wirkung zu entfalten, und fördern
dessen Freisetzung. Wenn es Menschen aufgrund einer Parkinsonschen
Erkrankung an Dopamin mangelt, fehlt ihnen auch die biochemische
Grundlage für süchtiges Verhalten, so daß sie gezwungener Maßen
gesünder leben.
Nach
P. Vieregge: Die Epidemiologie der idiopathischen
Parkinson-Erkrankung. Nervenheilkunde 1997 (16) 151-157