Auf
Initiative der Parkinson-Klinik Bad Nauheim fand Anfang diesen Jahres
das 3. Bad Nauheimer Parkinson-Symposium statt. Chefärztin Priv.-Doz.
Dr. med. Alexandra Henneberg war es gelungen, namhafte Experten aus
Medizin, Rechtswissenschaft, Theologie und Grundlagenwissenschaften an
einem Tisch zu versammeln, um u.a. ethische Probleme
neurochirurgischer Eingriffe bei Parkinson-Kranken zu diskutieren.
„Machen Sie es!“ rief Prof. Dr. jur.
Dr. h.c. Hans-Ludwig Schreiber seinem Vorredner zu. Letzterer hatte
als Neurochirurg die Frage in den Raum gestellt, wie die deutsche
Gesellschaft die Implantation embryonaler Gehirnzellen bei
Parkinson-Kranken beurteilen würde. Schreiber, derzeit Präsident der
Universität Göttingen, bezog auch zu Einzelheiten eines solchen
Eingriffs Stellung. So ließ er keinen Zweifel daran, daß den Müttern
für den erforderlichen Schwangerschaftsabbruch keinerlei Vorteile
versprochen werden dürfen. Auch riet er davon ab, Mütter nach einem
Abort um die Genehmigung zu bitten, dem Embryo Gewebe entnehmen zu dürfen.
Im Prinzip spreche auch nichts dagegen, mehrere anstehende Aborte an
einem Tag zusammen zu legen, um so die für die Implantation
erforderliche Menge an Zellmaterial gewinnen zu können, meinte der
renommierte Medizinrechtler.
Aus neurochirurgischer Sicht hatte zuvor
Prof. Dr. med. Prof. h.c. mult. Dr. h.c. Madjid Samii seine Bedenken
zur Zellimplantation dargestellt. In einem leidenschaftlichen Plädoyer
beschrieb der Hannoveraner Wissenschaftler die Möglichkeiten einer
fruchtbaren Verbindung zwischen Neurobiologie und Technologie (= “Neurobionik“).
Parkinson-Kranke profitieren von ihnen bereits in Form der
elektrischen Tiefenhirnstimulation. Diese Technik ist erfreulich
reversibel und gut steuerbar. Sie zielt darauf ab, mit Hilfe
implantierter Elektroden Neuronen durch kontinuierliche elektrische
Reize zu hemmen und so überaktive Kerngebiete im ZNS funktionell
auszuschalten.
Mögliche Alternativen zum
neurochirurgischen Eingriff zeigte Prof. Dr. med. Michael Sendtner
auf. Der Würzburger Wissenschaftler wies unter anderem auf die
wichtige Rolle neurotropher Faktoren hin, die möglicherweise den Tod
dopaminerger Nervenzellen stoppen können. Aufgrund verschiedener
Schwierigkeiten sind sie aber noch nicht anwendungsreif. Neurotrophe
Faktoren passieren nämlich nicht die Bluthirnschranke und
diffundieren schlecht ins Gehirnparenchym. Deshalb müssen neue
Applikationswege - wie die Implantation verkapselter Zellen -
entwickelt werden. Sendtner nahm auch zur Transplantation embryonaler
dopaminerger Zellen Stellung, die nach dem derzeitigen Stand der
Technik in eine „unphysiologische Umgebung“, nämlich das Striatum
implantiert werden (und nicht in die Substantia nigra). Auch bestehe
die Möglichkeit, daß ein Teil der implantierten Zellen falsche
synaptische Verbindungen eingeht und so unerwünschte Nebenwirkungen
auslöst.
Abschließend diskutierte die
Expertenrunde unter anderem, inwieweit die neuen Behandlungsmethoden
die Persönlichkeit von Parkinson-Kranken verändern können. Mehrere
Rednerbeiträge verdeutlichten, daß eine solche Frage vermutlich von
falschen Voraussetzungen ausgeht. Denn bereits die Parkinson-Krankheit
selbst wie auch deren medikamentöse Behandlung (zum Beispiel mit
L-Dopa) können die Persönlichkeit verändern. Viele anwesende
Parkinson-Kranke betonten, daß sich die Betroffenen noch mehr
Engagement in Forschung und Neurochirurgie wünschen. Offensichtlich
wollen sie es nicht so weit kommen lassen, wie es Prof. Schreiber in
seinem Schlußsatz zusammenfaßte: „Du glückliches Deutschland, Du
hast die Moral und die anderen machen die Forschung“.
Nach
Beiträgen auf dem 3. Parkinson-Symposium am 17.01.98 in Bad Nauheim