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Parkinson-Syndrom -

eine Drei-Phasen-Erkrankung

von Priv.-Doz. Dr. med. Alexandra Henneberg, Ärztliche Direktorin und Chefärztin der Parkinson Fachklinik Bad Nauheim

  Bis heute ist die Ätiologie des Parkinson-Syndroms ungeklärt. Die Therapie konzentriert sich daher auf Krankheitszeichen und Vorbeugung („Neuroprotektion“). Zwar kann eine zielgerechte Behandlung den Krankheitsverlauf in den meisten Fällen erheblich verzögern, doch ändert dies nichts an der Chronizität des Parkinson-Syndroms. Dieses schreitet weiterhin progredient voran und durchläuft dabei drei Phasen. Eine gute Parkinson-Behandlung erkennt man daran, daß sie jeden Patienten individuell einstellt und dabei den Besonderheiten der jeweiligen Phase Rechnung trägt.

Phase 1 (Diagnostik und Ersteinstellung)

Diese Phase beginnt mit der Diagnosestellung, die sich meist auf zwei der drei Hauptsymptome stützt (Rigor, Hypokinese, Tremor, wobei letzterer nur bei zwei Dritteln der Kranken auftritt).

Hinzukommen können vegetative Zeichen wie vermehrtes Schwitzen, gesteigerte Talgbildung, Verstopfung und Schlafstörungen. Bei einigen Patienten geht eine jahrelange depressive Verstimmung dem eigentlichen Krankheitsbeginn voraus. Die symptomatische Therapie zielt meist darauf ab, das Dopaminsystem und die mit ihm in Wechselwirkung stehenden Neuronensysteme zu beeinflussen.

Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich die typischen neuropathologischen Veränderungen keineswegs auf eine Degeneration der melaninhaltigen Dopaminneuronen des nigrostriatalen Systems beschränken. Die für das Parkinson-Syndrom charakteristischen Lewy-Körperchen finden sich auch in anderen Teilen des Gehirns, zum Beispiel im Cortex und in den Ursprungskernen des Nervus vagus (1).

    Die medikamentöse Therapie muß nicht zwingend mit dem hirngängigen Dopaminvorläufer L-Dopa beginnen. Alternativen sind Selegilin, Amantadin und/oder schnell wirksame Dopamin-Agonisten. Wie man genau vorgeht, ist mit jedem Patienten zu besprechen. Dabei ist es wichtig, sich um einen längerfristig guten Krankheitsverlauf und nicht nur um eine sofortige Symptomfreiheit zu bemühen. Soziale und psychologische Faktoren (wie Beruf und Familie) verdienen ebenfalls besondere Aufmerksamkeit. Von Anfang an ist auf mögliche Nebenwirkungen hinzuweisen. Wenn der Kranke diese erkennen und richtig deuten kann, wird er umgehend seinen Arzt um Hilfe bitten und nicht eigenmächtig die ansonsten wirkungsvolle Therapie mit Dopamin-Agonisten unterbrechen. Viele Nebenwirkungen sind zudem leicht zu behandeln, beispielsweise Kreislaufhypotonie und Magen-Darm-Probleme. Durch das offene Gespräch über mögliche Komplikationen der Medikation und deren erfolgreiche Lösung faßt der Patient zugleich Mut, sich auch mit schwerwiegenderen Nebenwirkungen vertrauensvoll an den behandelnden Arzt zu wenden (etwa mit Halluzinationen).

     Wenn man sich frühzeitig für eine L-Dopa-Therapie entscheidet, gilt die Regel „Soviel L-Dopa wie nötig, so wenig L-Dopa wie möglich“. In jüngster Zeit weisen nämlich mehrere Publikationen darauf hin, daß die Neurotoxizität von L-Dopa mit ansteigenden Konzentrationen zunehmen kann. Studien mit Nervenzellkulturen und epidemiologische Daten deuten an, daß eine hochdosierte L-Dopa-Therapie möglicherweise den Eintritt in die Phase II beschleunigt (2,3,4,5).

     Daher empfehlen sich eher niedrige L-Dopa-Dosen (beispielsweise schrittweise bis 150 mg pro Tag), eine frühzeitige Unterstützung durch einen Dopamin-Agonisten und eine Neuroprotektion mit Selegilin. Gleichzeitig sollte man den Patienten über den sicheren und vielfältigen Nutzen eines Bewegungstrainings beim Parkinson-Syndrom aufklären, besonders in Form der wöchentlichen Gruppengymnastik. Letzte wird von der deutschen Parkinson-Vereinigung mit ihren mittlerweile über 300 Regionalgruppen organisiert.

Phase 2 (Fluktuationen)

Einschleichende Erstmedikation und regelmäßiges Bewegungstraining können leider nicht verhindern, daß die Krankheit über kurz oder lang in die Phase 2 eintritt. Diese zeichnet sich dadurch aus, daß die Medikamente nicht mehr zuverlässig wirken und deshalb die Beweglichkeit des Kranken zu fluktuieren beginnt. Dadurch kommt es einerseits zu „Off-Phasen“, während derer sich der Patient schlechter oder gar nicht mehr bewegen kann. Andererseits beeinträchtigt Überbeweglichkeit (Hyperkinesen) die „On-Phasen“. Zusätzliche Komplikationen entstehen durch „Freezing“, Dystonien, nächtliche Krämpfe, Gleichgewichtsprobleme (Sturzgefahr!), Sprech- und Stimmstörungen sowie durch Stimmungsschwankungen, die die Fluktuation begleiten.

     In der Phase 2 soll die medikamentöse Behandlung dem  Patienten eine möglichst konstante Wirkung garantieren. In diesem Zusammenhang ist von einer Erhöhung der L-Dopa-Dosis abzuraten. Denn es gibt Hinweise darauf, daß die intravenöse Dauergabe großer L-Dopa-Mengen die Fluktuationen weiter verschlechtert (5). Jetzt gilt es vielmehr, die tägliche L-Dopa-Menge vorsichtig zu verringern, indem man auf  Zubereitungen in Retard- oder Depot-Form wechselt. Um dem als Folge der L-Dopa-Reduktion drohenden Beweglichkeitsverlust vorzubeugen, ist die Medikation durch länger wirksame Dopamin-Agonisten wie Cabergolin zu ergänzen. Gleichzeitig verabreichtes Amantadin entschärft die Spitzen von Off- und On-Phasen. Sie ermöglicht es beispielsweise dem Kranken, trotz einer Off-Phase das Badezimmer aufsuchen zu können. In der On-Phase dämpft sie deutlich Überbewegungen. Auch in der Phase 2 sollte die Neuroprotektion mit Selegilin fortgeführt werden. Nunmehr unverzichtbar sind Einzelbehandlungen durch Krankengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage und eine symptomgerechte Logopädie. Beide Verfahren lindern nicht nur Krankheitszeichen; sie können auch Reparaturvorgänge im Gehirn auslösen (6).

Phase 3 (Pflege)

In der Phase 3 rückt die Pflege völlig in den Vordergrund, da Medikamente hier ihre Wirkung verlieren. Dieses Stadium droht um so rascher, je mehr grobe Behandlungsfehler in der Phase 2 unterlaufen. Beispiele sind die unkontrollierte Erhöhung der L-Dopa-Dosis auf weit über 1000 mg pro Tag und/oder das Unterlassen von Krankengymnastik. Die Versuche mit Parkinson-Medikamenten müssen im Stadium 3 eingestellt werden, wenn bei einem völlig unbeweglichen Patienten nach einer Amantadinsulfat-Infusion lediglich Nebenwirkungen in Form von Halluzinationen oder gar Paranoia auftreten. Am wichtigsten ist es jetzt, die Patienten regelmäßig passiv zu bewegen und sie zweistündlich umzulagern. So lassen sich gravierende Komplikationen weitgehend vermeiden (Kontrakturen, Thromboembolien, Decubiti). Darüber hinausgehend läßt sich die Symptomatik leider nicht weiter lindern.

     Es ist daher im Sinne des Patienten und im Interesse aller, die Phase 3 möglichst so lange hinauszuzögern, daß sie der Patient aus anderen biologischen Gründen nicht mehr erleben kann.

Literatur: (1) Braak et al.: Extranigrale Pathologie der Parkinson-Krankheit - limbisches System und vegetative Kerne. In: P. A. Fischer (Hrsg.): Parkinson Krankheit. Ed. Roche 1997; (2) Pardo et al.: Toxic effects of L-dopa on mesencephalic cell cultures: protection with antioxidants. Brain Res. 1995 (682) 133-143; (3) Ling et al.: Comparison of the neurotoxicity of dihydroxyphenylalanine stereoisomers in cultured dopamine neurons. Clin. Neuropharmacol. 1996 (19) 360-365; (4) Ziv et al.: Levodopa induces apoptosis in cultured neuronal cells. Movement Disord. 1997 (12) 17-23; (5) Nutts et al.: Motor fluctuations during continuous levodopa infusions in patients with Parkinson´s disease. Movement Disord. 1997 (12) 285-292; (6) Birkmayer/Riederer: Die Parkinson-Krankheit. Springer 1985