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Parkinson - ein biochemisches Mobile?

Kritische Hinweise zur Parkinson-Therapie

Von Apotheker Dr. rer. nat. Wolfgang Götz,

1. Vorsitzender der Deutschen Parkinson Vereinigung

    Viele neurologische Lehrbücher und populär wissenschaftliche Aufklärungsbücher benutzen noch immer das Modell der Waage, um ihren Lesern eine Vorstellung von den pathobiochemischen Veränderungen bei der Parkinson-Krankheit zu vermitteln. Dieses Bild soll das Ungleichgewicht zwischen Dopamin (relativer Mangel) und Acetylcholin (relativer Überschuß) verdeutlichen, das man im ZNS von Parkinson-Betroffenen findet. Ein passenderes Modell dürfte das Mobile sein, das die Vielzahl der mittlerweile bekannten komplexen Zusammenhänge besser veranschaulicht (siehe Abbildung).

   Auch psychische Faktoren spielen eine wichtige Rolle. Dies zeigt sich mitunter, wenn Parkinson-Kranke bei erfreulichen Ereignissen einmal ihre Medikation vergessen, ohne unter diesem Versehen dann merklich zu leiden.

    Ähnlich wie für andere Erkrankungen gilt auch für den Morbus Parkinson, daß es keine für alle Patienten gültigen Patentlösungen gibt. Vielmehr hat jeder Betroffene seinen „eigenen Parkinson“. Wie dieser medikamentös am besten zu beeinflussen ist, läßt sich nur durch eine kontinuierliche Zusammenarbeit bzw. einen ständigen Dialog zwischen Arzt und Patient ermitteln. Dabei ist es wichtig, wie die statistische Auswertung von Krankenblättern verschiedener deutscher Kliniken ergab, immer wieder nach Begleiterkrankungen zu fahnden. So entdeckt man bei Parkinson-Kranken überraschend häufig einen bislang unbekannten Diabetes mellitus. Andere überproportional anzutreffende Begleiterkrankungen sind Herzinsuffizienz, koronare Herzkrankheit, Glaukom, Katarakt, Lungen- und Magenschleimhautentzündungen.Fast jeder zweite Parkinson-Patient leidet zusätzlich an orthopädischen Problemen. Entdeckung und Behandlung der Begleiterkrankungen wirken sich nicht nur auf die Lebensqualität der Patienten aus, sie beugen auch Komplikationen vor, die ihrerseits die Lebenserwartung verkürzen.

    Viel zu stiefmütterlich wird auch die Frage gehandhabt, ob bzw. wie dopaminerg wirkende Medikamente die Sexualität beeinflussen. Dieser Gesichtspunkt ist wichtig, weil solche Effekte keineswegs eindeutig vorhersehbar sind. So kann das gleiche Präparat bei dem einen Kranken das sexuelle Verlangen steigern, während es bei einem anderen eher dämpfend wirkt. Leider sehen selbst die Prüfprotokolle der pharmazeutischen Industrie nicht routinemäßig entsprechende Fragen vor.

     Verbesserungsmöglichkeiten finden sich auch bei der Diagnostik. Hier zeigen neuere epidemiologische Untersuchungen (EUROPARKINSON-Studie, 1997), daß man bei genügender Sorgfalt unter 15.000 unselektierten über 65jährigen immerhin - bezogen auf die Zahl der darunter befindlichen bekannten M. Parkinson-Betroffenen - 25 Prozent zusätzliche Patienten findet, die nicht wissen, daß sie unter Parkinson leiden. Bezogen auf die deutsche Bevölkerung bedeutet dies, daß wir hier mit rund 50.000 noch unentdeckten Parkinson-Kranken rechnen müssen. Aber nicht nur die Unterdiagnostik stellt ein Problem dar; auch die „Überdiagnostik“ ist keine Seltenheit: So können immerhin 10 bis 15 Prozent der in Parkinson-Kliniken aufgenommenen Patienten diese mit der Gewißheit wieder verlassen, daß ihre aktuellen Beschwerden nicht - wie ursprünglich angenommen - auf einer Parkinson-Erkrankung beruhen.

    Probleme ganz anderer Art wirft die in letzter Zeit intensiv diskutierte Frage auf, inwieweit L-Dopa toxisch wirken kann. Die Hinweise auf die potentielle Gefährlichkeit des „Goldstandards“ der Parkinson-Therapie haben viele Patienten verunsichert. Hier ist zu hoffen, daß die aktuellen „Konsensus-Empfehlungen“ der Parkinson-Experten wieder Vertrauen vermitteln.

     Das Beispiel der Anticholinergika läßt es allerdings fraglich erscheinen, ob solche Hinweise mit dem wünschenswerten Tempo von der Praxis angenommen und umgesetzt werden. Diese Substanzgruppe zeigt nämlich, wie langsam sich Therapiegewohnheiten ändern. Obwohl ihr Gebrauch seit der Einführung von L-Dopa und der Dopaminagonisten wesentlich eingeschränkt werden könnte, nimmt der Marktanteil der Anticholinergika (weiterhin Platz 2!) nur sehr langsam ab.

Nach einem Vortrag auf dem 9. Fortbildungskongreß Geriatrie Praxis am 19. Juni 1998 in Neuss